Arbeitsverhältnis des Verkäufers und steuerfreier Kapitalgewinn

Eine Privatperson, die Aktien oder Stammanteile verkauft und dabei einen Gewinn erzielt, hat dank der Bestimmungen in Artikel 16, Absatz 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) bzw. Artikel 7, Absatz 4, lit. b des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) keine Steuerfolgen zu befürchten. Sie hat einen steuerfreien Kapitalgewinn realisiert.

 

Der steuerfreie Kapitalgewinn liegt insofern quer in der Landschaft, als er eine Ausnahme vom Reinvermögenszugangsprinzip darstellt, auf welchem das Schweizer Steuersystem basiert. Aufgrund dieses Spannungsfelds prüfen Steuerämter jeweils, ob es sich bei einem Sachverhalt um einen echten Kapitalgewinn handelt oder ob es sich bei der Konstruktion um eine Steuerumgehung handelt. Gerade bei komplexen Rechtsgeschäften wie z.B. bei Unternehmensverkäufen wird genau hingeschaut. Ein Tatbestand, welcher den Grundsatz des steuerfreien Kapitalgewinns durchbricht, stellt die indirekte Teilliquidation dar (dort geht es um die Umgehung von Dividendenausschüttungen).

 

Im Bundesgerichtsentscheid 2C_618/2014 hat das oberste Gericht der Schweiz wichtige Kriterien festgehalten, welche bei der steuerlichen Qualifikation des Kaufpreises massgebend sind. Im konkreten Fall ging es um den Verkauf einer Aktiengesellschaft, welche Finanzdienstleistungen anbot. Der Kaufpreis war in mehreren Tranchen zu bezahlen. Die Auszahlung der einzelnen Tranchen war u.a. an die Bedingung geknüpft, dass der Verkäufer der Anteile bei Fälligkeit der Zahlung noch in der Gesellschaft angestellt war. Die letzte Tranche der Kaufpreiszahlung war zudem an ein Umsatzziel der Gesellschaft gekoppelt. Das Bundesgericht entschied, dass der im Kaufpreis realisierte Goodwill des Unternehmens offensichtlich eng mit arbeitsvertragsrechtlichen Komponenten des Verkäufers verbunden war bzw. erst durch diese entstand. Wirtschaftlich gesehen erschien der im Kaufpreis realisierte Goodwill als «Kombination von Antrittsgeld und Treueprämie» und somit als Salärbestandteil zugunsten des Verkäufers. Folglich wurde der Gewinn aus dem Aktienverkauf als unselbständiges Erwerbseinkommen qualifiziert und war zu versteuern.

 

Dieser Entscheid lässt aufhorchen. Gerade bei Kleinunternehmen ist es die Regel, dass der Verkäufer der wichtigste Angestellte ist und auch nach dem Firmenverkauf angestellt bleibt. Ebenso üblich ist, dass Teile des Kaufpreises erst nach Eigentumsübergang ausbezahlt werden, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind (z.B. in Form eines Earn out). Gemäss dem oben erwähnten Bundesgerichtsentscheid bewegen sich Unternehmensverkäufer steuerlich gesehen auf dünnem Eis, wenn beide Sachverhalte in der Transaktion gegeben sind.

 

Für die Praxis lässt sich aus diesem Bundesgerichtsentscheid folgern, dass man Kaufpreis und Angestelltenverhältnis des Verkäufers bei Transaktionen wirtschaftlich strikt getrennt behandeln sollte. Das heisst konkret:

  • Zukünftige bedingte Kaufpreiszahlungen sollten nur an finanzielle oder betriebliche Kriterien geknüpft werden, welche sich objektiv auf den Wert des Unternehmens auswirken (Umsatz, Bruttogewinn, EBITDA, etc.). Sie sollten in keiner Weise von dem Angestelltenverhältnis des Verkäufers abhängig gemacht oder mit demselben in Verbindung gebracht werden.
  • Der Verkäufer sollte auch nach dem Verkauf ein marktübliches Gehalt bzw. Honorar beziehen.
  • Nicht nachvollziehbare Änderungen an der Lohnpolitik des Inhabers sollten in den Jahren vor dem Unternehmensverkauf vermieden werden (z.B. plötzlicher Verzicht auf Bonuszahlungen, um dann die «schwerere» Gesellschaft steuerfrei zu verkaufen).
  • Wenn der Verkäufer für die Einhaltung einer Konkurrenzverbotsklausel entschädigt werden soll, dann hat dies separat vom Kaufpreis und in einer nachvollziehbaren Höhe zu geschehen.
  • Im Zweifelsfall sollte vor dem Unternehmensverkauf ein Steuerruling eingeholt werden. Dies insbesondere bei Geschäftsmodellen, die wenig materielle Substanz aufweisen, stark personenbezogen sind (z.B. Beratungsgeschäfte) und deren Unternehmenswerte einen hohen Goodwill-Anteil beinhalten.