Etikette bei Erstgesprächen
Der Verkauf eines Unternehmens ist auf den ersten Blick ein sehr technischer Prozess. Renditen werden berechnet, Risiken abgewägt, Synergiemöglichkeiten ausgelotet, Bücher geprüft, Preise verhandelt und Verträge erstellt. Die Grundlage einer jeder Transaktion bildet jedoch die menschliche Ebene. Nur wenn zwischen den Parteien Vertrauen und die berühmte, schwer in Worte zu fassende «Chemie» besteht, kann der Verkauf zu einem erfolgreichen Ende geführt werden.
Das Fundament dieser menschlichen Dimension wird im persönlichen Erstgespräch zwischen den Parteien gelegt. Hier treffen Verkäufer und Kaufinteressent erstmal aufeinander, beschnuppern sich, lernen sich kennen, stellen sich Fragen und bilden sich aufgrund aller Eindrücke – verbal, nonverbal, etc. – eine Meinung über den anderen. Eine negative Meinung wird in den meisten Fällen ein Scheitern des Verkaufs bewirken.
Angesichts der bedeutenden Rolle des Erstgesprächs lohnt es sich anzuschauen, was die Parteien beim Erstgespräch tun bzw. unterlassen sollten, um beim Gegenüber einen positiven Eindruck zu hinterlassen.
Regeln für den Kaufinteressenten
Die empfehlenswerten Verhaltensweisen eines Kaufinteressenten leiten sich von den Fragen und Bedürfnissen ab, welche für den Verkäufer zentral sind. Diese sind im Normalfall die folgenden:
- Traue ich dieser Person die Nachfolge meines Unternehmens zu?
- Vertraue ich dieser Person?
- Ist mir diese Person sympathisch? Kann ich mit ihr zusammenarbeiten?
Daraus ergeben sich folgende Handlungsanleitungen:
- Jedem Kaufinteressenten steht es gut an, sich sorgfältig auf ein Erstgespräch vorzubereiten. Es darf erwartet werden, dass er die zur Verfügung gestellten Informationen über das Unternehmen genau studiert, sich Fragen überlegt und notiert und sich grundsätzliche Gedanken über die mögliche Durchführung der Transaktion gemacht hat (Stichworte: Finanzierung, Zeitplan, Einarbeitung, etc.). Ein gut vorbereiteter Gesprächspartner signalisiert Wertschätzung, echtes Interesse und Seriosität, was wiederum auf der Gegenseite Vertrauen und Sympathie erzeugt.
- Menschen neigen dazu, Themen einzig durch ihre fachliche Brille zu betrachten. Ein Unternehmen ist aber ein komplexes Wirtschaftsgut, das Herausforderungen und Chancen unterschiedlichster Art (menschlich, technologisch, betriebswirtschaftlich, kulturell, etc.) in sich vereinigt. Kaufinteressenten sollten gerade zu Beginn des Verkaufsprozess das grosse Ganze im Blick behalten und sich auf die wesentlichen Fragen konzentrieren anstatt sich in Nebenschauplätzen zu verzetteln. Damit kommuniziert man dem Verkäufer, dass man den Überblick wahren, Prioritäten setzen und gesunden Menschenverstand walten lassen kann.
- Das Erstgespräch dient zweierlei Zwecken. Erstens lernen sich die Parteien persönlich kennen. Zweitens erhält der Kaufinteressent die Gelegenheit, Informationen aus erster Hand für seinen Entscheidungsprozess einzuholen. Während Persönliches in diesem Gespräch durchaus Platz hat, sind endlose Selbstbeschreibungen, inhaltloser Smalltalk und der reine Austausch von Höflichkeiten fehl am Platz. Gerade Unternehmer sind darauf getrimmt, effizient zu sein und zum Punkt zu kommen. Der grösste Teil des Gesprächs sollte folglich dem Austausch von Informationen in Bezug auf eine mögliche Transaktion gewidmet sein.
- Unternehmer identifizieren sich mit ihren Firmen. Nicht umsonst wird immer wieder vom «Lebenswerk» oder vom «eigenen Baby» gesprochen. Somit ist es angezeigt diplomatisch vorzugehen, wenn Schwachpunkte, Verbesserungsmöglichkeiten u.ä. zur Sprache kommen. Solange man Respekt vor der unternehmerischen Leistung des Verkäufers zeigt und die Schwachpunkte sachlich anspricht, vielleicht sogar als Potenzial begreift, wird sich kein vernünftiger Unternehmer angegriffen fühlen. Im Gegenteil wird er die Urteilsfähigkeit des Kaufinteressenten höher einschätzen und somit auch dessen Fähigkeit seine Nachfolge erfolgreich anzutreten.
- Das Erstgespräch dient u.a. der Einholung von Informationen, auf Grund welcher der Kaufinteressent über eine Fortsetzung des Prozesses entscheidet. Insofern ist es nicht produktiv, den Verkaufspreis bereits in dieser Phase anzusprechen. Seriöse Verkäufer werden sich jede ernsthafte Offerte ansehen. Wer aber bereits beim Erstgespräch klare Vorstellungen über den Kaufpreis kommuniziert, der wird in den Augen des Verkäufers als Schnäppchenjäger, Preisdrücker oder schlichtweg als unseriöser Kandidat eingestuft werden. Äusserungen zum Kaufpreis sollten erst mit der Unterbreitung der Offerte erfolgen, nachdem die sachdienlichen Informationen eingeholt worden sind.
Regeln für den Verkäufer
Für den Verkäufer gilt im Prinzip dasselbe wie für den Kaufinteressenten. Man muss sich in den anderen hineinversetzen und seine Situation verstehen, um daraus ein angemessenes Verhalten beim Erstgespräch ableiten zu können. Kaufinteressenten bewegen meistens die folgenden Fragen:
- Ist mein Gegenüber transparent und ehrlich?
- Bin ich geeignet, die Nachfolge dieses Unternehmens anzutreten?
- Ist mir mein Gegenüber sympathisch? Kann ich mit ihm zusammenarbeiten?
Daraus ergeben sich folgende Handlungsanleitungen:
- Dem Verkäufer steht es ebenfalls gut an, sich auf das Gespräch vorzubereiten. Informationen über den Käufer, die er erhalten hat, sollte er studiert haben (z.B. den Lebenslauf und/oder ein Motivationsschreiben). Damit signalisiert er Wertschätzung und bekräftigt, dass ihm die Eignung des Nachfolgers wichtig ist und es nicht nur um das Finanzielle oder die eigene Pensionierung geht.
- Das Erstgespräch mit einem Kaufinteressenten ist nicht dafür gedacht, das eigene Unternehmen auf alle erdenklichen Arten anzupreisen und schmackhaft zu machen. Jedem valablen Kaufinteressenten ist klar, dass Unternehmen Schwächen haben und Risiken ausgesetzt sind. Für ihn ist wichtig, diese Schwächen und Risiken realistisch einschätzen zu können. Wer könnte hierzu bessere Informationen liefern als der aktuelle Inhaber? Ein ehrlicher Meinungsaustausch ohne aufdringlichen, verkäuferischen Touch werden das Vertrauen des Kaufinteressenten und somit die Transaktionswahrscheinlichkeit erhöhen.
- Wie gesagt erhöht Transparenz das Vertrauen des Kaufinteressenten. Es gibt aber gute Gründe, weshalb der Verkäufer gewisse Dinge nicht schon beim Erstgespräch offenlegen will. Ein seriöser Kaufinteressent wird das akzeptieren, wenn man unaufgeregt erklärt, weshalb man diese Information noch nicht offenlegen will. Man kann zudem darauf hinweisen, dass der Kaufinteressent später im Prozess die Gelegenheit erhält den Betrieb zu prüfen wird und dann die gewünschte Information einsehen kann. Es darf unter keinen Umständen der Verdacht aufkommen, dass der Verkäufer dem Kaufinteressenten Informationen vorenthält.
- Es ist normal, dass beim Erstgespräch der Verkäufer Fragen beantwortet und der Kaufinteressent Fragen stellt. Dennoch sollte das Gespräch keine Einbahnstrasse sein. Verkäufer, die nicht einfach den bestmöglichen Preis realisieren wollen, sondern einen geeigneten Nachfolger suchen, werden auch dem Kaufinteressenten Fragen stellen und ein wenig wählerisch sein. Der Kaufinteressent will wissen, was dem Verkäufer wichtig ist und welche Fähigkeiten er von einem Nachfolger erwartet. Wer hierzu nichts zu sagen hat oder gleichgültig wirkt, der wird beim Kaufinteressenten Misstrauen erregen.
Fazit
Die Bedeutung des Erstgesprächs und der menschlichen Komponente im Verkaufsprozess kann nicht überschätzt werden. Wie bei allen menschlichen Interaktionen ist nicht nur darauf zu achten, was man sagt. Mindestens genauso wichtig ist, wie man etwas sagt und was man nicht sagt. Um bei Erstgespräch Fehler zu vermeiden und einen guten Eindruck zu hinterlassen, sollte man:
- Sich gut vorbereiten;
- Sich in den anderen hineinversetzen;
- Sich im Vorfeld überlegen, wie man heikle Themen am besten ansprechen kann;
- Interesse am Gegenüber zeigen;
- Entspannt bleiben;
- Authentisch sein und in keine Rolle schlüpfen.