Marktwert eines KMU: Eine Frage der Perspektive

Das Ziel einer Unternehmensbewertung ist, den Marktwert eines KMU zu berechnen. Durch objektive Verfahren soll festgestellt werden, wie viel für das Unternehmen bezahlt werden muss. Soweit der Anspruch. Die Realität ist komplexer. Es gibt zwar Standardverfahren der Unternehmensbewertung, die breit akzeptiert sind. Man kann sie durchaus als „objektive“ Verfahren betrachten. Subjektive Überlegungen von Käufern haben da keinen Platz. Diese können aber den Marktwert eines KMU erheblich beeinflussen. Als Beispiele seien drei Käufertypen erwähnt: der Konkurrent, der Synergiekäufer sowie der Liebhaber.

Der Konkurrent

Es ist der erste Gedanke jedes Firmenverkäufers: Einfach den Konkurrenten fragen, ob er Interesse hat. In der Regel wird sich der Konkurrent interessiert zeigen. Vermutlich macht er sogar ein Angebot. Allzu oft wird es aber kein gutes Angebot sein. Wieso? Weil der Konkurrent die Firma mit anderen Augen betrachtet als ein branchenfremder Käufer. Er besitzt bereits die erforderlichen Sachanlagen, das Know-How und das Personal. In der Regel dürfte er einzig am Kundenstamm interessiert sein. Die werthaltige Substanz der Firma reduziert sich somit auf einen Bruchteil. Folge: das Angebot fällt tief aus. Der branchenfremde Käufer bewertet das Unternehmen ganzheitlich. Er verfügt nicht über die Maschinen, die Mitarbeiter, das Know-How oder das Netzwerk. Seine Alternative zum Unternehmenskauf ist, einen Betrieb von Null aufzubauen. Ein Vorgang, der mit grossen Investitionen verbunden und erheblichen Risiken behaftet ist. Folglich wird er den Unternehmenswert aus seiner Warte höher einschätzen und tendenziell ein besseres Angebot unterbreiten.

Synergiekäufer

Synergiekäufer ticken anders. Sie erkennen in der Firma einen Synergiewert. Sie rechnen sich aus, durch die Übernahme den Umsatz ausbauen, die Kosten reduzieren und/oder die Profitabilität erhöhen zu können. Hierzu ein Beispiel aus der Praxis. Einst betreute ich einen regionalen Marktführer im Bereich der Konstruktion, Planung und Installation von Filtertechnikanlagen. Der Betrieb wurde an einen Lieferanten verkauft, der seine Wertschöpfungskette vertiefen wollte und in der besagten Region verwurzelt war. Durch den Kauf konnte der Lieferant vorwärtsintegrieren, die Marktmacht in seiner Stammregion erhöhen und den Profit verbessern. Dies war ihm etwas wert, so dass ein hervorragender Preis erzielt werden konnte. Synergiekäufer stammen oft aus derselben oder einer benachbarten Branche. Daher lohnt es sich bei jedem Unternehmensverkauf zu überlegen, für welche Käufer das Unternehmen Synergiepotenziale bietet.

Liebhaber

Bei Immobilien ist bisweilen die Rede von Liebhabern. Gemeint sind Käufer, die aus nicht-finanziellen Überlegungen bereit sind, einen Aufpreis zu bezahlen. Dahinter verbirgt sich oft ein emotionales Motiv. Liebhaber gibt es auch bei Firmen. Gerade Privatpersonen kaufen eine Firma nicht als blossen Broterwerb. Es geht auch um Selbstverwirklichung. Darum wird auch nicht-finanziellen Faktoren Beachtung geschenkt. Bewegte Firmenhistorien, Nostalgieprodukte oder ein ideeller Zweck können den Ausschlag geben, dass sich jemand zum Kauf entscheidet. Dies habe ich unter anderem bei einem Detailhandelsgeschäft erlebt, das seit über 100 Jahren im Zentrum von Bern steht. Der Käufer war so angetan von der Tradition und der Geschichte dieses Hauses, dass er einen Traumpreis hingelegt hat. Es hat sich gelohnt, im Verkaufsdossier Schwarzweiss-Bilder des Hauses aus dem Jahr 1890 einzufügen. Diese Bilder waren es, die den Käufer angesprochen und angespornt haben, einen Kauf in Betracht zu ziehen. Wer eine Firma vermarktet, sollte sich daher nicht nur auf die trockenen harten Fakten wie Zahlen, Kunden und Lieferanten konzentrieren. Es sind vielfach die weichen Faktoren, die das Salz in der Suppe ausmachen, Emotionen auslösen und echte Liebhaber anziehen.

Fazit:

Unternehmensbewertungen sind nützlich, um eine Vorstellung vom „objektiven“ Marktwert eines KMU zu erhalten. Auf dem realen Markt tummeln sich aber Individuen, die eine subjektive Sicht einbringen. Nur wer es schafft, auf diese subjektiven Bedürfnisse einzugehen, wird einen Traumpreis erzielen.