Unternehmensverkauf an einen Konkurrenten

Wer kauft mein Unternehmen? Viele Inhaber von KMU schielen bei dieser Frage auf ein Konkurrenzunternehmen oder mindestens eine Firma aus derselben Branche. Sei es der langjährige mittelständische Mitbewerber aus der Nachbargemeinde, sei es der national oder gar international agierende Konzern: Die Nachfolgelösung wird in der eigenen Branche gesucht. Auf den ersten Blick leuchtet dieser Gedankengang ein. Schliesslich agiert man im selben Markt und mit einem Kauf könnte der Mitbewerber wachsen sowie womöglich einen lästigen Konkurrenten loswerden.

 

Die Wahrheit ist – wie so oft im Leben – kompliziert. Manchmal ist es ist der goldrichtige Weg den Konkurrenten anzusprechen. In anderen Fällen läuft diese Vorgehensweise ins Leere und verursacht Frustrationen, manchmal sogar Indiskretionen. Einige Konkurrenten haben geringes bis lauwarmes Interesse an einem Kauf und unterbreiten unattraktive Angebote. Bei anderen hingegen stösst man auf Gegenliebe und kann exzellente Preise erzielen.

 

Um das Interesse eines Konkurrenten im Vorfeld einzuschätzen, sollten die folgenden vier Kaufmotive beurteilt werden: Umfang des Kaufinteresses, Kompatibilität, Synergiepotenzial und strategischer Wert.

 

Umfang des Kaufinteresses

Unternehmen sind komplexe Wirtschaftsgüter, die durch ein einzigartiges Zusammenspiel von materiellen und immateriellen Vermögenswerten sowie menschlicher Arbeit Renditen erzielen. Die Aufbauleistung des Unternehmensgründers besteht insbesondere in der Anschaffung und der wertschöpfenden Zusammenführung dieser Bestandteile. Als branchenfremder Dritter betrachtet und bewertet man das Unternehmen als «Gesamtkunstwerk», als Summe seiner Einzelteile.

 

Branchenteilnehmer haben eine andere Perspektive. Sie haben selbst eine Aufbauleistung erbracht und verfügen bereits über ein wertschöpfendes Gesamtkonstrukt in demselben Markt. Das Kaufobjekt wird auf diejenigen Bestandteile reduziert, welche in das eigene Gesamtkonstrukt reinpassen und es stärken. Bestandteile, die nicht passen, haben keinen Wert oder sind gar eine Last. Das Kaufinteresse beschränkt sich folglich vielmals nur auf einzelne Vermögenswerte wie den Kundenstamm, den Maschinenpark oder das Personal des Zielunternehmens. Wenn aber das Zielunternehmen nicht als Summe seiner Einzelteile bewertet wird, sondern nur als Ansammlung von wertvollen und wertlosen Einzelteilen, dann fällt der berechnete Unternehmenswert regelmässig tiefer aus.

 

Als Verkäufer sollte man sich die folgenden Fragen stellen: Hat mein Unternehmen für diesen Branchenteilnehmer als Ganzes einen Wert oder nur einzelne Bestandteile davon? Wie wirkt sich das voraussichtlich auf die Bewertung meines Unternehmens aus? Ist unter Umständen ein Teilverkauf meiner Firma sinnvoll und umsetzbar?

 

Kompatibilität

Unternehmen sind historisch gewachsene Organisationen mit ureigenen Kulturen und Systemen. Wenn Unternehmen andere Unternehmen übernehmen, dann werden damit auch zwei Historien, Kulturen, Denkweisen und Weltanschauungen zusammengeführt. Je stärker das Zielunternehmen in das übernehmende Unternehmen integriert werden soll, umso genauer muss die Kompatibilität beider Organisationen überprüft werden. Lassen sich die Strukturen, Systeme und Kulturen auf einen gemeinsamen Nenner bringen oder sind sie zu unterschiedlich? Wie hoch ist der voraussichtliche Aufwand für diese Integrationsarbeit und mit welchen Widerständen oder gar Verlusten ist dabei zu rechnen?

 

Synergiepotenzial

Synergien entstehen dann, wenn zwei Organisationen im Verbund einen wirtschaftlichen Nutzen erzielen, den sie alleine nicht haben. Bei Firmenübernahmen werden unter diesem Begriff meistens Kosteneinsparungen (z.B. durch Zentralisierung der Administration, Logistik, etc.) und andere wirtschaftliche Nutzen (z.B. höhere Preissetzungsmacht gegenüber Lieferanten und Kunden) verstanden, die zu einer nachhaltigen Erhöhung der Rendite führen. Auch wenn zwischen zwei Branchenteilnehmern oft Synergiepotenziale existieren, werden diese gerne überschätzt. Ausserdem sind die Realisierung dieser Potenziale mit Kosten verbunden, die in die Gesamtbetrachtung einfliessen müssen.

 

Als Verkäufer sollte man die eigenen Kostenblöcke und Margen durchgehen und sich kritisch fragen, in welchen Bereichen das jeweilige Käuferunternehmen Einsparungen bzw. Margenverbesserungen realisieren könnte und wie sich dies auf die nachhaltige Rendite des eigenen Unternehmens auswirken würde. Nicht zu vergessen sind die mit diesen Massnahmen verbundenen Kosten (z.B. Zusammenlegung/Migration der IT, Änderung des Firmenauftritts, etc.).

 

Strategischer Wert

Der Kauf eines Unternehmens hat einen strategischen Wert für den Übernehmer, wenn er daraus einen langfristigen Vorteil erzielt, der sich nicht sofort in klingender Münze auszahlt oder exakt bemessen werden kann. Beispiele sind die Eliminierung eines wichtigen Konkurrenten, der Eintritt in einen neuen Markt, die Akquisition einer neuen Kundengruppe oder der Erwerb von immateriellen Gütern (Know-How, Patente, Marken, Lizenzen, Technologien, etc.).

 

Ob ein strategischer Wert vorhanden ist, hängt von den Zielen des kaufenden Unternehmens ab. Können diese Ziele durch den Kauf dieses Unternehmens schneller/effektiver/günstiger erreicht werden als durch eigene Anstrengungen? Je umfassender dies bejaht wird, umso höher wird das Interesse des Interessenten sein und umso attraktiver wird das Kaufangebot ausfallen. Es sind Konstellationen mit einem strategischen Wert, welche zu Traumverkäufen mit hohen Preisen führen können. In diesen Fällen begründet sich der Kaufpreis nämlich nicht nur durch die aktuelle Rendite des Zielunternehmens zuzüglich einigen Optimierungsmöglichkeiten, sondern durch einen darüber hinausgehenden strategischen Zusatznutzen für das Käuferunternehmen.

 

Fazit

In den meisten Fällen werden sich Konkurrenten bzw. Branchenteilnehmer nur für bestimmte Teile eines Zielunternehmens interessieren und deshalb geringes Kaufinteresse haben bzw. tendenziell schlechtere Angebote unterbreiten als branchenfremde Interessenten. Wenn sich der Interessent für das Unternehmen als Gesamtheit interessiert und die Kompatibilität beider Firmen hoch ist, dann werden die Angebote ähnlich hoch ausfallen wie die von branchenfremden Interessenten. Wenn Synergiepotenziale bestehen, werden die Angebote (je nach Umfang der Potenziale) höher ausfallen. Wenn der Konkurrent im Kauf einen strategischen Nutzen sieht, dann werden die Preise ebenfalls höher ausfallen. Wenn alle vier Kriterien kumulativ erfüllt sind und insbesondere der strategische Nutzen schwer wiegt, dann ist die Grundlage für die Erzielung von ausserordentlich guten Konditionen gegeben, welche die Angebote von Drittinteressenten deutlich übertreffen.

 

Bevor man also Unternehmer blindlings Konkurrenten und andere Branchenteilnehmer über die eigenen Verkaufsabsichten informiert und vertrauliche Daten austauscht, sollte das Potenzial dieser Interessenten anhand der oben beschriebenen Kriterien überprüft werden. Dies bedeutet einiges an Recherchearbeit und vor allem Realismus, wenn es um die Einschätzung des eigenen Unternehmens geht.